„Ja gut, da war die Trennung meiner Eltern als ich 11 Jahre alt war. Oder 12? Keine Ahnung. Aber das hat mir eigentlich nicht viel ausgemacht“, erzählte ich einer Kinesiologin 2009, die mir nach meiner Krebsbehandlung empfohlen wurde.
Rückblick: Ich führte ein recht normales, glückliches Leben, war viel unterwegs mit Freunden und stets neugierig auf das Leben. Rastlos zog ich von einer zur anderen Wohnung, von einer zur anderen Stadt, von einem zum anderen Job und von einer Beziehung zur nächsten. Wenig selbstreflektiert, häufig wertend dem Leben gegenüber und dennoch immer mit einem positiven Blick nach vorne und einem überzeugend festen Glauben an die Liebe und das Leben. Meine Mutter sagte oft. „So ist das nun mal im Leben – eine Tür geht zu, die andere auf.“ Recht hat sie. Das Leben ist ein ständiger Abschied und Neubeginn.
Nach einem weiteren Beziehungsende, dem nächsten Umzug und einem neuen Job, traf mich das Schicksal mitten ins Herz.
Abschied:
An einem Donnerstagmorgen meldete ich mich auf dringende Empfehlung meines Frauenarztes in der Klinik Großhadern zur Untersuchung. Der unerwartete Befund: positiv! Tausend Gedanken und Tränen durchspülten meinen Kopf. „Was, Krebs? Das kann nicht sein!“ Ich fühlte die Hässlichkeit dieses Wortes, konnte es jedoch nicht greifen. Ich? Krebs? Mit 28? Ein Alptraum, dachte ich und nahm mich selbst wie in einer Parallelwelt wahr. Mein Herz schlug unendlich schnell und die Schwere der Aussage: „Es tut mir leid. Sie haben Krebs! Bitte melden Sie sich sofort zur OP an!“, ließ mich vor der Tür zur Anästhesie-Aufklärung zusammensacken.
In dem Moment spürte ich lebhaft, wie nahe Licht und Schatten sein können. Ohnmächtig und mit leerem Blick schaute ich durch den Arzt und Minuten der Hoffnungslosigkeit füllten meinen Kopf. Jetzt ging alles ganz schnell. Ohne Gedankenpause… Es folgten die OP, die Strahlen-Therapie und eine schonungslose Chemo, die jede Zelle, egal ob gut oder böse, wahrnehmbar tötete. Einmal das Komplett-Programm und der Beginn einer langen Heilreise. Das große Schicksal dahinter: Der Verlust meiner Gebärmutter und damit der tragische Abschied vom weiblichen Schöpfer-Organ.
Fragen über Fragen durchlöcherten meinen Kopf: „Welcher Mann sollte an mir noch Interesse haben? Wie kann ich noch Kinder bekommen? Was passiert jetzt mit meinen Haaren? Und wird das jemandem auffallen?“ Die Antworten meiner inneren Stimme waren kaum auszuhalten. Ich fühlte mich in meiner Weiblichkeit nach innen und nach außen zutiefst verletzt, unvollständig, voller Selbstzweifel und total gelähmt.
„Das Leben geht weiter, schau nach vorne.“ Das hatte mir mein Vater oft geraten. Recht hatte er. Während der Therapien arbeitete ich parallel in meinem neuen Job, lenkte mich ab und blühte in interessanten Projekten auf. Ich lächelte vieles weg und verlor mich in neuen Eindrücken, Freundschaften und ganz plötzlich… in einen neuen Mann.
Neubeginn.
Wie durch ein Wunder tauchte aus dem Nichts ein alter Bekannter auf. Unwahrscheinlich gutaussehend, intelligent, charmant und wahnsinnig anziehend. Ja, das war er wohl: Der Ritter auf dem weißen Schimmel, mein Glück! „Er ist das Hoch nach meinem Tief“, erzählte ich einer Freundin voller Überzeugung und dem Glauben an Fügung. Ich war vollkommen verzaubert. Das Tal der tiefen Trauer war das Energiefeld unserer Herzen. Nach außen strahlten wir pure Lebensfreude und Optimismus aus. Nach innen waren wir zwei verletzte Seelen, die sich anzogen wie Magneten. Kein Zweifel, es fühlte sich so unbeschreiblich gut an. Innerhalb einer Woche stand fest: Jede Sekunde wäre verschwendet, sie nicht miteinander zu verbringen. Voller Euphorie und Tatendrang folgten ein Umzug in den ersten Monaten, viele Paarreisen in malerische Gewässer, verbunden mit einem Heiratsantrag im Paradies. Und zum zweiten Jahrestag die wunderschöne Hochzeit auf den Seychellen.
Kurz danach… Innere Leere!
Ein grauer Tag jagte den nächsten und leblose Ideen drehten sich im Kreis: Themen wie Kinderwunsch, neue Jobs, neue Wohnung, neue Stadt oder doch vielleicht die Weltreise? Die Suche nach Irgendwas im Nirgendwo füllte unseren Alltag. Immer wieder haben wir uns neu erfunden, ich für ihn und er für mich. Viel Drama, unterdrückte Wut, Phantasiereisen, Burn out und Traurigkeit prägten diese Leere. Das ewige Analysieren im Außen ließ unseren trögen Alltag, trotz krampfhaftem Festhalten an dieser Liebe, komplett erstarren. Auf Leere und Starre folgten bald Flucht und Trennung und nach drei Jahren Ehe die Scheidung … der Abschied!
Verletzungen, Scham und unerträgliche Einsamkeit brachten das Märchen über die Begegnung mit der Liebe zum bitteren Ende. Ein Ende so dramatisch wie der Anfang euphorisch. Diese Krise, der schmerzhafte Verlust und gleichzeitig der Glaube an den Sinn im Leben ließen mich weitergehen.
Neubeginn!
Nach ernsthafter Selbstreflexion dank unterschiedlicher Inspiratoren und dem Mut zur Aufarbeitung alter Wunden und Überzeugungen war mir klar geworden: „Ich hatte mich längst verloren auf dem Weg zu mir selbst.“ Ich war schon lange nicht mehr in meinem Boot unterwegs, beschäftigte mich mit meinem Mann und kümmerte mich um alles und jeden, aber nie um mich selbst. Ich hatte immer einen guten Ratschlag für andere, nur war ich selbst der schlechteste Interpret. Die Trennungen in meinem Leben und vergrabene Gefühle wie Ohnmacht, tiefe unverarbeitete Trauer über meine Krankheitsgeschichte, das eigene Scheitern, die Scham und uralte Ängste waren Begleiter auf meinem Weg ins Erwachsenwerden und wurden zu einem Teil meiner bisherigen Lebenserfahrung. Tränen, Trauerarbeit, neue Gedanken und Inspirationen fluteten hoffnungsvoll meinen Geist. Rückzug und Vergangenheitsbewältigung nahmen ihren Lauf – Schritt für Schritt.
Gefühle wie Angst und Sehnsucht, Ablehnung und Annahme, Anpassung und Freiheit, Wut und Vergebung, Schwere und Leichtigkeit, Kleinheit und Größe, Unklarheit und Klarheit – alles durfte endlich da sein, sich zeigen und in allen Formen und Farben gefühlt werden. Und meine Erkenntnis daraus: Eine neue Liebe. Ich verstand schließlich, dass die Begegnung mit mir selbst, mit meinen Gefühlen und Gedanken der Schlüssel zum eigenen Glück sind und dieses Glück nur in mir reifen kann. Ein Fundament, das tiefere Beziehungen in meinen Leben zulässt – auf gesunder Basis, mit Authentizität, Verletzlichkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in allen Lebensbereichen – gegenüber anderen und vor allem mir selbst.
„Das ist das Leben“, sage ich heute. Und es ist gut so. Alles ist im Fluss. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter. So ist der Tag. So ist die Nacht. Wo Schatten sind, entsteht wieder Licht, wo Trauer ist, kommt wieder Freude, wo Krankheit ist, ist auch Gesundheit, wo die Angst ruft, klopft schon die Liebe an… Und wo ein Abschied ist, wartet schon ein Neubeginn. Wir dürfen jeden Tag neu wählen.
In Dankbarkeit für diese Erfahrung.
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